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Als der Weihnachtsmann krank wurde

Mini-Geschichte

Der Weihnachtsmann fühlte sich komisch. Er wusste gar nicht so recht was los war. Er war verwirrt, wurde plötzlich furchtbar geizig und hatte permanent schlechte Laune. Die Angestellten und die Arbeiter in seiner Weihnachtsmann-Geschenke-Fabrik hielten es nun nur schwer mit ihm aus. Es war furchtbar. Der Weihnachtsmann, der sonst als allerliebster Mensch auf dieser Welt bekannt war, verhielt sich plötzlich total merkwürdig. Er war kontrollsüchtig, meckerte und ließ seine schlechte Laune an seinen Angestellten und Arbeitern ab.

 

Niemand konnte dieses Verhalten verstehen. Und der Weihnachtsmann auch nicht. Er war völlig verwirrt und irritiert und verstand sich selbst nicht mehr. Denn er war der großzügigste Mensch auf Erden, sein Leben bestand aus Schenken. Er kannte gar nichts anderes als Menschen zu beschenken. Das hatte ihm all die Jahre große Freude bereitet. Und auch seinen Angestellten gegenüber war er immer sehr großherzig gewesen. Wenn jemand mal früher Feierabend machen wollte, dann war das nie ein Problem. Aber nun war der Weihnachtsmann unausstehlich. Die Arbeiter in der Weihnachtsmann-Geschenke-Fabrik mussten viel mehr arbeiten als sonst. Und was noch viel schlimmer war: Der Weihnachtsmann wollte ihnen zum ersten Mal keine Weihnachtsgeschenke mehr schenken.

 

Als der Weihnachtsmann krank wurde, verstand er sich selbst nicht mehr und bekam große Angst. Er hatte sich bestimmt ein Virus eingefangen, sicherlich das Geschenke-Verbot-Virus. Das ist ein ganz seltenes und ganz gefährliches Virus. So lag der Weihnachtsmann im Bett und musste den Arzt rufen. Das war alles so ärgerlich, weil wir November haben. Und im November ist normalerweise Hochbetrieb beim Weihnachtsmann. Und nun war er krank und lag im Bett. Er war schwach und verwirrt. Das kannte er nicht. Er war noch nie so krank.

 

Als der Arzt fragte, was er denn hätte, da antwortete der Weihnachtsmann: „Ich bin plötzlich geizig. Und das verstehe ich nicht, denn ich bin doch der Weihnachtsmann. Mein Leben besteht aus Schenken. Ich habe früher so gerne geschenkt, aber nun ist es vorbei.“

„Hmm“ sagte der Arzt und schaute ganz verdrießlich. Das war gar nicht gut. Auch der Arzt hatte beim Weihnachtsmann Geschenke für seine Kinder und seine Ehefrau bestellt. Und jetzt ist er geizig? Das geht doch nicht.

 

Das Geschenke-Verbot-Virus hatte der Weihnachtsmann nicht, das konnte der Arzt schnell feststellen. Aber woher plötzlich aus heiterem Himmel der Geiz kam, war auch ihm, dem Arzt ein Rätsel. Er sagte dem Weihnachtsmann, er müsse erstmal eine Zigarette rauchen und einen Tee trinken, dann würde er gleich wieder kommen. Das stimmte so nicht, denn ein Arzt raucht nicht, aber er brauchte Zeit. Er wollte die Angestellten heimlich befragen was denn passiert sei. Und so rannte er quer durch die große Weihnachtsmann-Geschenke-Fabrik und befragte als erstes den Vorarbeiter, leider ohne Ergebnis. Der Vorarbeiter war selbst in großer Sorge und selbst schon ein bischen krank, weil sie mit der Geschenke Produktion ohne den Weihnachtsmann nicht hinterher kamen. Die Stimmung in der Fabrik war nicht gut. Niemand wusste was geschehen war.

 

Der Arzt musste zurück zum Weihnachtsmann denn er konnte ja schlecht sagen, daß er den ganzen Tag Zigaretten geraucht und Tee getrunken hätte. Das würde ihm der Weihnachtsmann nicht glauben. Also lief er schnell zurück.

 

Nun blieb ihm nichts anderes übrig als den Weihnachtsmann auszufragen. Der Arzt war kein neugieriger Mensch, er konnte das nicht so gut mit dem Ausfragen. Deswegen sagte er erstmal wie schön das Wetter draußen sei. Und wie er den Weihnachtsmann bewundern würde, weil er im Schnee immer so gut aussehen würde. Als Arzt mit einem weißen Kittel sieht man nämlich im Schnee nicht so gut aus. So taute der Weihnachtsmann langsam auf und fing an von früher zu erzählen. Er erzählte dem Arzt von seiner Uroma und seiner Großmutter, von seiner Mutter und von den schönen gestrickten Pullovern. Als er dann endlich bei den Geschichten über seine Arbeit ankam fiel dem Arzt eine Veränderung im Gesicht des Weihnachtsmanns auf. Plötzlich sah er anders aus. Es war so spannend, der Arzt durfte jetzt den Weihnachtsmann auf gar keinen Fall unterbrechen. Aber es war schon zu spät. Der Weihnachtsmann hatte gesehen wie der Arzt komisch guckte und fragte ihn was denn sei. „Mist,“ dachte der Arzt, „jetzt verliert der Weihnachtsmann seinen Erzählfaden und ich muß mir gleich nochmal alle Geschichten von der Uroma bis zu den gestrickten Pullovern anhören.“ Zum Weihnachtsmann aber sagte er: „Weihnachtsmann, du siehst so wunderschön aus, wenn Du Geschichten erzählst. Deswegen habe ich dich so angesehen. Ich freue mich schon sehr, was als nächstes kommt.“

„Und wann kommt endlich die Untersuchung? Mein lieber Arzt, ich muß wieder gesund werden, dieses Gequatsche geht mir auf die Nerven.“

 

„Lieber Weihnachtsmann, auch ich hatte eine anstrengende Woche. Ich bin ganz erschöpft. Bitte erzähl noch etwas weiter, dann kann ich mich ein wenig erholen und dann kann ich mich besser konzentrieren.“ Über diese Antwort vom Arzt war der Weihnachtsmann noch irritierter und auch verwirrt. Der Arzt sollte sich nicht bei ihm erholen, er war schließlich da, um ihn wieder gesund zu machen und nicht umgekehrt. Aber nun denn. Einen kranken Arzt konnte der Weihnachtsmann nun wirklich nicht gebrauchen. Und so erzählte er immer weiter wie er jedes Jahr zu den Menschen fährt, die Wünsche aufnimmt und die Weihnachts-Post öffnet. Jedes Jahr hat er viele Bestellungen, sodaß seine Weihnachtsmann-Geschenke-Fabrik immer größer werden konnte, er hat mächtig expandiert. Das mit dem Expandieren war nie sein großer Traum, hat sich aber so ergeben. Er ist der Weihnachtsmann und für die Geschenke und das Schenken zuständig. Das ist sein Leben.

 

Nun hatte der Weihnachtsmann alles erzählt, aber der Arzt hatte nichts Ungewöhnliches erfahren. Alles was der Weihnachtsmann erzählte, kannte der Arzt schon aus den vielen Weihnachtsmärchen. Alles nichts Ungewöhnliches. Beide schwiegen. Und dann, ganz lapidar nebenbei, erzählte der Weihnachtsmann wie traurig er sei, daß die Menschen so geizig geworden sind. Sie würden immer mit ihm verhandeln, wollen weniger oder gar kein Geld zahlen, sind kontrollsüchtig und werden aggressiv, wenn er nicht genau das produzieren konnte, was in der Weihnachtspost gewünscht wurde. Ihren Kindern würden sie große Geschenke schenken, aber sie würden vergessen, daß der Weihnachtsmann hart arbeitet und gerne einen Schnaps trinken würde oder einen Grog oder einen heißen Tee mit Rum. Auch an der Zeit würden die Menschen sparen. Er solle immer kommen, aber dann hätten die Menschen gar keine Zeit für ihn. Wie ein Ausstellungsstück würde er in der Eingangstür stehen, die Eltern würden mit dem Finger auf ihn zeigen und ihren Kindern sagen, daß sei der Weihnachtsmann. Sie würden ihm die Geschenke aus der Hand nehmen und schwupp sei die Tür auch schon wieder zu.

 

Als hätten einige Menschen vergessen, was es bedeutet beschenkt zu werden. Viele konnten sich gar nicht freuen und waren immerzu am meckern. Sie waren unglücklich, obwohl sie alles hatten und alles bekamen. Wie ein großer Staubsauger staubsaugten einige Menschen alle Geschenke auf, ganz schnell und immer mehr.

 

Der Weihnachts-Klim-Bim gab ihm den Rest. Dieser Klim-Bim ging dem Weihnachtsmann total auf die Nerven, er hatte schon im Oktober schlechte Laune, wenn er überall Lebkuchen sah.

 

Da manche Menschen den Weihnachtsmann nicht mehr bezahlen wollten, weiß der Weihnachtsmann inzwischen nicht mehr, wie er seine Fabrik und seine Arbeiter bezahlen kann. Es gibt zwar mittlerweile schon tolle Roboter und viele Maschinen, aber dann müsste er sein ganzes Personal und die Arbeiter entlassen. Aber mit ihnen plaudert er so gerne. Hätte er nur noch Maschinen, dann würde er sicherlich einsam werden.

 

Plötzlich wurde dem Weihnachtsmann bewusst, daß sein eigener Geiz kontinuierlich mit dem Geiz der Anderen gestiegen war. Anfangs hatte er sich keine Sorgen gemacht. Da waren viele Menschen die jammerten und meckerten und er dachte er würde ihnen eine Freude machen, wenn er diesen Menschen besonders schöne Geschenke schenken würde. Aber diese Menschen jammerten dann nur umso mehr. Warum sie denn nicht ein anderes Geschenk bekommen hätten, der aus dem Fernsehen und der aus der Illustrierten hätten auch eine Motoryacht und einen Helikopter.

 

Solche Geschenke konnte der Weihnachtsmann aber nicht einfach so schenken. Denn weil die Menschen allgemein immer geiziger wurden, hatte er blöderweise auch nicht mehr soviel Geld. Er hatte noch nicht mal soviel Geld um in der Not auszuhelfen. Das Geld fehlte an allen Ecken und Kanten.

 

Weil er der Weihnachtsmann war schenkte er anfangs trotzdem immer weiter und freute sich für die Menschen. Aber ihm war immer so, als würde er all die schönen Geschenke, die seine Arbeiter in der großen Weihnachtsmann-Geschenke-Fabrik produzierten in einen großen Schlund schmeißen: kaum hatten die Menschen das Paket geöffnet, hatten sie es schon wieder vergessen. Sie wollten einfach immer mehr. Sie waren unersättlich. Das ging aber nicht. Der Weihnachtsmann wurde darüber zuerst komisch, dann traurig und krank.

 

Nun war alles klar. Der Weihnachtsmann hatte sich am "Geiz-und-Gier-Syndrom" angesteckt. Das ging schon seit längerem herum. Aber daß sich selbst der Weihnachtsmann damit anstecken konnte, beunruhigte den Arzt. Es war zwar nicht gerade Alarmstufe Rot, aber mindestens Alarmstufe Orange-Rosa. Großherzige Menschen befällt dieses Syndrom nur äußerst selten, aber wenn doch, dann ... Der Arzt mußte nachdenken.

 

"Weihnachtsmann, hast Du schon mal was von Outsourcing gehört?" "Wat is dat denn?" fragte der Weihnachtsmann. "Wieso spricht der denn jetzt so komisch?" dachte der Arzt und dann viel ihm ein, daß der Weihnachtsmann aus dem Norden kam. "Outsourcing- damit kannst Du eine Menge Geld sparen. Du lagerst einfach alles aus und läßt Andere deine Arbeit tun." "Wie soll das denn funktionieren? Soll ich etwa die Weihnachtswichtel aus Dänemark beauftragen? Die haben selbst genug zu tun. Ich will mich auch mal ausruhen und Tennis spielen. Und den Wichteln geht es auch nicht anders." "Du spielst Tennis?" "Ja." sagte der Weihnachtsmann, "schon seit Jahren."

 

Der Arzt hatte selbst auch Geschenke beim Weihnachtsmann bestellt und wusste im Grunde genommen ganz genau was der Weihnachtsmann meinte. Denn seine Kinder und auch seine Ehefrau wollten auch immer größere und immer mehr Geschenke. Der Arzt hatte auch nur ein begrenztes Budget, gab die Aufgabe deswegen an den Weihnachtsmann ab und dachte, daß er damit seine eigenen Sorgen los sei. Und nun das. "Mist", dachte der Arzt.

 

Jetzt half nur noch eine Radikal-Kur, obwohl der Arzt wusste, daß sie dem Weihnachtsmann sehr schwer fallen würde. „Weihnachtsmann, ich verschreibe Dir eine Radikal-Kur. Du darfst nur noch den Menschen etwas schenken, die sich ehrlich und von ganzem Herzen freuen und sei es nur ein einziger Keks. Alle anderen Menschen bekommen dieses Jahr gar keine Geschenke. Achte auf Dich selbst. Wer Dir keinen Tee mit Rum anbietet, der bekommt ebenfalls keine Geschenke.“ Es ging nicht anders, denn die Gesundheit des Weihnachtsmannes und damit die Geschenke aller Kinder und aller Menschen waren in höchster Gefahr.

 

Das war ein Schock. Der Weihnachtsmann musste erstmal tief Luft holen und wollte mit dem Arzt schimpfen. „Ich bin doch der Weihnachtsmann, mein Leben besteht aus Schenken“, dachte er bei sich. Aber als er die eingeatmete Luft wieder ausatmete fiel ihm ein riesengroßer Stein vom Herzen. „Ja, ich möchte nur noch den Menschen etwas schenken, die sich aus tiefstem Herzen freuen. Denn dann kann ich mich auch selbst freuen. Welch schöne Idee.“

 

Dann fielen dem Weihnachtsmann die Kinder vom Arzt ein und die dazugehörige Ehefrau und erinnerte den Arzt, daß er dann dieses Jahr nicht vorbei kommen würde. Der Arzt holte tief Luft und atmete wieder aus. Ja, das wüsste er, daß sei aber nicht so schlimm. Er würde die Geschenke aus dem letzten Jahr einfach erneut verpacken und so tun, als hätte der Weihnachtsmann sie durch den Schornstein geworfen, das sollte klappen. „Na gut“, sagte der Weihnachtsmann.

 

Der Weihnachtsmann lag noch drei Tage im Bett herum und langweilte sich. So wurde er wieder ganz gesund. Dann, nach drei Tagen, sprang er voller Energie auf und freute sich darüber endlich wieder in seine Weihnachtsmann-Geschenke-Fabrik gehen zu dürfen. Nun konnte er die Produktion wieder selbst überwachen und mit seinem Vorarbeiter und seinen Angestellten plaudern. Und er freute sich riesig wieder Schenken zu können.

 

Er schenkte kleine und große Geschenke, unsinnige und fabelhafte Geschenke, Geschenke für die Seele und verzweifelte Geschenke. Er kannte sich mit allen Arten des Schenkens aus. Denn im Laufe seines Berufslebens hatte er schon viele Arten des Schenkens kennengelernt. Und nun war er wieder um eine Erfahrung reicher.

 


Frohes Fest!


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Als der Weihnachtsmann krank wurde
Alarmstufe Orange-Rosa: Wie der Weihnachtsmann wieder gesund und von seinem schlimmen Virus geheilt wurde. Eine Geschichte mit Kritik.
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Kommentare: 2
  • #1

    Gisela Kuzel (Sonntag, 18 Dezember 2016 14:22)

    Unglaublich!
    Ich habe nach einer geeigneten Weihnachtsgeschichte gesucht, weil mein Mann und ich für diese Weihnachten beschlossen haben, nicht nur den Erwachsenen, sondern auch den Enkeln nichts zu schenken!
    Ihre Kinderzimmer quellen über vor lauter Spielsachen und sie wissen gar nicht mehr, womit sie eigentlich spielen wollen. Alles wird nur noch herumgeworfen und aufräumen ist immer ein Kampf!
    Und genau zur richtigen Zeit finde ich diese mehr als nur passende Geschichte!
    Darf ich ihnen statt den Geschenken diese traumhafte Geschichte vorlesen?
    Alles Liebe und wundervolle Weihnachten wünscht Gisela!

  • #2

    Birthe (Sonntag, 18 Dezember 2016 20:24)

    Liebe Gisela Kuzel,
    ich habe einen Download eingefügt. So ist es ganz praktisch, um die Geschichte ausdrucken zu können. Es ist das Format DinA4 quer, nicht wundern. Beim Drucker auto-Modus einstellen, dann sollte er es erkennen.

    Ich freue mich sehr, daß sie gefällt. Und ja, selbstverständlich darfst Du sie vorlesen- alles im privaten Bereich ist erlaubt. Nur sobald Du mit meiner Geschichte Geld verdienen wolltest- das erlaube ich nicht. Die Urheberrechte bleiben bei mir.
    Darf ich erfahren, wie Du diese Geschichte gefunden hast? Da bin ich neugierig...

    Frohes Fest!
    Birthe