Über ein Ungeheuer, daß eines Tages kein Ungeheuer mehr sein konnte

Mini-Geschichte

Das Ungeheuer ist ein ungeheuerliches Tier aus einer vergangenen Zeit. Damals lebte es am Stadtrand. Dies ist die Geschichte über ein Ungeheuer, daß ganz ungeheuerlich brüllen kann und gleichzeitig so leise sein kann, wie ein Geist.

 

Das Ungeheuer hat sehr viele Beine. Es hat mehr Beine, als andere Tiere. Damit könnte es überall hin laufen. Aber es ist am liebsten dort, wo es lebt: am Stadtrand. Dort kommen Spaziergänger vorbei, die es anbrüllen kann. Und wenn es Appetit bekommt, dann läuft es los in die Stadt und kauft sich etwas zu essen.

 

Es kann so leise laufen, daß es ganz unheimlich ist, wenn es läuft. Niemand kann es hören.

Plötzlich ist das Ungeheuer da, und dann brüllt es einfach drauf los. Es ist wirklich weit und breit das ungeheuerlichste Ungeheuer, daß es in der Gegend gibt.

 

Das Ungeheuer ist sehr stolz darauf ein Ungeheuer zu sein. Das kann schließlich nicht jeder. Nicht Jeder kann so laut und so hübsch brüllen wie das Ungeheuer, daß am Stadtrand lebt.

 

Das laute Brüllen und das leise Anschleichen ist das Markenzeichen des Ungeheuers. Daran kann man es erkennen. Es ist lautlos und kann so ausgezeichnet Brüllen- das kann nur das Ungeheuer sein, das am Stadtrand lebt.

 

So hat sich das Ungeheuer über die Jahre einen bedeutenden Namen gemacht.

 

Eines Tages war es soweit: Nun wusste wirklich Jeder, daß am Stadtrand das Ungeheuer lebt, daß leise und laut sein kann und ganz ungeheuerlich ist. Das hatte zur Folge, daß niemand mehr an den Stadtrand ging, denn niemand wollte sich freiwillig erschrecken und anbrüllen lassen.

 

So wurde es immer schwieriger für das Ungeheuer Menschen zu finden, die es anbrüllen konnte. Niemand kommt an den Stadtrand. Wenn das Ungeheuer selbst in die Stadt geht, weil es Appetit hat und etwas einkaufen möchte, dann sieht es schon von weitem, wie die Menschen ihm aus dem Weg gehen. Niemand will neben dem Ungeheuer stehen und angebrüllt werden.

 

Aber das Ungeheuer macht sich keine Sorgen. Es hat ja noch Verwandte. Wenn die Verwandten das Ungeheuer besuchen, dann wird Kuchen gebacken und es gibt Tee. Das Ungeheuer kann sehr gut Witze erzählen und kennt viele lustige Geschichten. Aber es ist ein Ungeheuer. Es ist das ungeheuerlichste Ungeheuer in der ganzen Gegend und es kann gar nicht anders, als plötzlich loszubrüllen.

 

Es brüllt so laut, daß der Tee aus der Teetasse schwappt und der Kuchen vor lauter Schreck in tausend Krümel zerfällt- so ungeheuerlich brüllt das Ungeheuer. Wenn es zu Ende gebrüllt hat, dann geht es ihm gut. Dann hat das Ungeheuer schön gebrüllt und ist darüber ganz zufrieden.

 

Leider ist die Verwandtschaft darüber nicht so zufrieden. Denn es ist blöd, wenn der Tee aus der Teetasse schwappt und der Kuchen vor lauter Schreck in tausend Krümel zerfällt. Das krümelt dann immer so. Das mit dem Brüllen ist gar nicht so schlimm. Denn die Verwandtschaft kennt das Ungeheuer und sie alle lieben es sehr. Es ist eben so. Es kann nicht anders.

 

Dann kommt der Tag, an dem das Ungeheuer nicht mehr brüllen kann. Es hat etwas mit dem Hals. Es bringt keinen Ton mehr heraus. Halsumschläge und Hustenbonbons nützen nichts.

Es kann noch nicht einmal mehr einkaufen gehen, denn es kann nicht mehr sagen, was es möchte. Und weil es lautlos laufen kann, kann es niemand mehr hören. Das Ungeheuer ist plötzlich wie verschwunden.

 

Niemand kann mehr das ungeheuerliche Brüllen hören. Der Tee schwappt nicht mehr aus den Teetassen und der Kuchen zerfällt auch nicht mehr in tausend Krümel. Das Ungeheuer kann nicht mehr ungeheuerlich sein, denn es ist ganz und gar lautlos geworden. Weil es so lieb und trottelig ausieht, nehmen die Menschen es gar nicht mehr ernst. Das ärgert das Ungeheuer ganz ungemein. Aber es kann absolut nichts dagegen tun.

 

Das Ungeheuer der vergangenen Zeit hat sich daraufhin zurück gezogen. Vielleicht lebt es ja doch noch irgendwo. Solltet ihr das Ungeheuer zu Gesicht bekommen, dann grüßt es freundlich von mir. Ich bin mit ihm verwandt.

Viele Grüße!


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